Industrieller Wandel als Chance

Potenzial nutzen: Industrieller Wandel als Chance

Energiepreise, Rohstoffmangel, Emissionen - der Industrie-Standort Deutschland steht vor enormen Herausforderungen. Ein Allheilmittel gibt es sicher nicht, wohl aber Chancen und Möglichkeiten, einen Nutzen aus diesem rasanten Wandel zu ziehen. Beispielsweise durch das Potenzial von Recycling und Sekundärrohstoffen, kombiniert mit den richtigen Werkzeugen, die uns die Digitalisierung und künstliche Intelligenz bieten.

Ein Kommentar von Tristan Niewisch, Geschäftsführer pdv-software GmbH

Dynamische Veränderungen am Markt begleiten unsere Industrie seit dem Beginn der industriellen Revolution. 200 Jahre, in denen die europäische Wirtschaft gelernt hat, mit Chancen und Risiken umzugehen. Dass der Klimawandel, als Folge des technischen Fortschrittes, kritisch diskutiert wird, gehört zu den Stärken unserer Demokratie. Zur Demokratie gehört auch, konstruktive Lösungen in sachlich geprägten Diskussionen zu erarbeiten. So entstehen unter dem Sammelbegriff “Circular Economy” zahlreiche Veränderungen im Markt, angefangen von optimierten Konstruktionen neuer Produkte bis hin zu stark überarbeiteten und neuen industriellen Prozessen. Wir stehen vor großen Herausforderungen, aber weder die Straßenkleber noch die Industrie in Deutschland werden zur „Last Generation“ gehören.

Der Blick in die Vergangenheit zeigt, dass Unternehmenslenker, risikobereite Investoren, kreative Köpfe, Politik und Gesetzgebung in jeder Krise einen Konsens gefunden haben. Auch heute ist es möglich, mutige Entscheidungen konsequent umzusetzen. Ein Beispiel von vielen ist das SALCOS Projekt der Salzgitter AG. Der Konzern geht nach eigenen Angaben bei der Umstellung auf eine CO2 arme Stahlproduktion von einem Bedarf von 150.000 t Wasserstoff in zwei Jahren und 300.000 t im Jahr 2033 aus. Aktuell lassen sich am Standort Salzgitter – genügend günstigen Strom vorausgesetzt – davon weniger als 10.000 t selbst erzeugen. Die Preise und die Verfügbarkeit von Energie sind das eigentliche Risiko. Die Problematik der Umwälzungen in der Energiepolitik trifft die metallproduzieren Betriebe in Europa extrem und - aufgrund eigener Wege - vor allem den Industriestandort Deutschland.

Komplexere Welt, komplexere Antworten

Energie ist aber nur eine der vielen aktuellen Herausforderungen. Konnten in den letzten 100 Jahren geniale wissenschaftliche Tüftler immer effektivere Maschinen und neue industrielle Prozesse und Verfahren erdenken und zügig umsetzen, leben wir heute in einer vielfach komplexeren, hinterfragenden Gesellschaft, welche wiederum entsprechend komplexere Antworten erwartet. Die Forderung nach schnellen Lösungen ist gleichzeitig mit hohen Sicherheitsanforderungen und der gewachsenen Bürokratie schwer vereinbar. Es entsteht der Eindruck, dass der nötige Informationsbedarf von Behörden, Politik und Gesellschafen eine ähnliche Charakteristik annimmt, wie das Wachstum des Wissens der Menschheit – beides wächst exponentiell.

Neben nur schwer beeinflussbaren externen Rahmenbedingungen erlangen andere Themen eine höhere Priorität. Der wachsende Einsatz von Sekundärstoffströmen macht signifikante Energieeinsparungen möglich, stellt uns gleichzeitig wieder vor neue Herausforderungen. Neben der Verfügbarkeit qualitativ nutzbarer Sekundärstoffströme steckt im Material aus Abfallströmen eine hohe Variabilität der stofflichen und damit physikalisch/chemischen Zusammensetzung. Ungewollte organische und anorganische Begleitstoffe oder Elemente können Risiken für Mensch und Anlage mit sich bringen.

Um diese Sekundärstoffströme effektiv nutzen zu können, ist zu Beginn der Hüttenprozesse eine aussagekräftige, verlässliche Probenahme sowie die Intensivierung der Analytik unabdingbar. Generell bietet die Gewinnung optimaler Daten zur Steigerung der Gesamteffektivität mehr Sicherheit sowie zur Vermeidung von Risiken in den meisten Betrieben noch viel Potenzial.

Neue Wege mit Digitalisierung und KI

Die rasant wachsende Nutzung von KI-Systemen eröffnet uns neue Wege, um die Informationsflut und den Informationsbedarf der Zukunft besser zu nutzen. Nun muss man nicht sofort auf dem KI-Hype aufspringen, denn die Möglichkeiten des Internets und der Digitalisierung sind in vielen Betrieben noch lange nicht ausgeschöpft. In der Verknüpfung aller verfügbaren Informationen, mit Daten zur Marktentwicklung und den unternehmensinternen, kaufmännischen und technischen Prozessen liegen große Chancen.

Innovationen und Kreativität sind die Basis, um unsere Industrie in sichere Bahnen zu lenken. Bahnen, die sicherstellen, dass wir in Zukunft, in einer sich immer schneller drehenden Welt nicht selbst aus der Bahn geworfen werden.


Dieser Beitrag erschien in leicht abgewandelter Form als Editorial der Zeitschrift „Word Of Metallurgie" Ausgabe 1/2024 des GDMB e.V.

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